Foto: B. Dworschak, Don Bosco Haus Chemnitz Dana Hubert auf Ferienfreizeit mit Kindern und Jugendlichen vom Don Bosco Haus Chemnitz Foto: B. Dworschak, Don Bosco Haus Chemnitz

Dana Hubert: Weil jeder kleine Schritt zählt

Sie absolvierte eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten, gab diesen Beruf auf und absolvierte ein Studium der Sozialen Arbeit. Heute ist Dana Huber Pädagogische Leitung im Don Bosco Haus Chemnitz. Auch wenn die 47-jährige Mutter von zwei Söhnen in ihrer täglichen Arbeit immer wieder an ihre Grenzen kommt, hält sie fest an ihrer Überzeugung: Sie möchte die jungen Menschen vorurteilsfrei annehmen – so wie sie sind und dort wo sie stehen.

Veröffentlicht am 05.10.2022

Im Mai 2017 habe ich mich sehr bewusst dafür entschieden, aus dem Allgemeinen Sozialdienst eines Jugendamtes in das Don Bosco Haus Chemnitz zu wechseln. Ich wollte den jungen Menschen und ihren Familien wieder nahekommen. Sie sollten wieder viel mehr sein als Aktenzeichen, die Steuerung von Hilfeplanverfahren und Verwaltungshandeln. Ich wollte wieder mehr Freiraum zum bedarfsgerechten Gestalten von Angeboten für diese jungen Menschen haben. Je weiter ich in die Pädagogik Don Boscos eintauchte, umso mehr faszinierte mich, was dieser Johannes Bosco vor etwa 200 Jahren mit viel Herz und Gottvertrauen entwickelte. Herzenspädagogik scheint mir ein sehr brauchbarer Begriff zu sein. Die zentralen Säulen „Vernunft – Religion – Liebe“ haben bis heute nichts an Aktualität verloren. Ganz besonders die Liebe in Verbindung mit Begriffen wie Akzeptanz, Herzlichkeit, Familiarität sowie die pädagogische Grundhaltung der Assistenz waren und sind für mich wichtige Werte im Umgang mit den uns anvertrauten jungen Menschen.

Förderliches Umfeld

Im Alltag bedeutet das für mich und meine Kollegen und Kolleginnen unter anderem, ein förderliches Umfeld für die jungen Menschen zu schaffen und sie vorurteilsfrei anzunehmen – so wie sie sind und dort wo sie stehen. „In jedem Jugendlichen, auch im unglücklichsten, gibt es einen Punkt, wo er für das Gute empfänglich ist; und die erste Pflicht des Erziehers ist es, diesen Punkt, diese empfindsame Saite des Herzens zu suchen und fruchtbar zu machen“, hat Don Bosco gesagt. Zugegeben, öfters gestaltet sich diese Suche ein wenig schwierig, vor allem dann, wenn junge Menschen in wenig förderlichen Verhältnissen aufwachsen, weil auch ihre Eltern es nicht anders erlebt haben und dadurch mitunter auch eigene schwerwiegende Einschränkungen mitbringen.

Immer mehr begegnen uns im Bereich der ambulanten Hilfen zur Erziehung Verschlossenheit, Ablehnung des gesamten Hilfesystems, Ignoranz, manchmal auch Aggressivität. Da wünsche ich mir oft noch bessere Ohren, um in die jungen Menschen hineinhören und gut zuhören zu können. Oft ist es herausfordernd, die Kinder und Jugendlichen, aber auch die Eltern spüren zu lassen, dass sie wirklich angenommen sind. Auch wenn wir die Herzlichkeit und die Familiarität leben, entsteht nicht immer gleich Vertrauen. Das kann sehr lange dauern. Manchmal bleibt das Vertrauen auch ein sehr fragiles Konstrukt, das schnell wieder zerbricht. In diesen Situationen hilft mir meine Überzeugung, dass Gott mir diese jungen Menschen mit ihren Familien nicht ohne guten Grund als Herausforderung schenkt. Auch wenn ich diesen guten Grund nicht immer gleich erkennen kann und an Grenzen gerate, weiß ich, dass alles seinen Sinn hat.

Ferienfahrt als Herzensprojekt

Wenn ich auf den Sommer 2022 zurückschaue, dann war die Ferienfahrt mit „unseren“ Kindern aus dem Bereich „Hilfen zur Erziehung“ ein Herzensprojekt für mich. So durften wir gemeinsam mit 14 sehr verhaltensoriginellen Kindern eine für uns Mitarbeiter sehr anstrengende aber auch wunderbare Woche an der Ostsee verbringen. Die Gruppe war bunt gemischt und jedes der Kinder hatte neben dem Reisegepäck auch seinen eigenen Rucksack, im übertragenen Sinne, dabei. Die Tage waren mit vielen Aktionen gefüllt, die für die Kinder Erfahrungsspielräume schaffen sollten, um Veränderungsprozesse anzuregen. Schon fast nebenbei lebten wir gemeinsam mit den Kindern in einem Haus, teilten mit ihnen das Staunen über die Weite der Landschaft und des Meeres, ihre Freude, aber auch ihre Sorgen und vor allem unzählige wunderbare Momente.

In diesem familiären und freundschaftlichen Klima gelang es jedem dieser jungen Menschen, über sich hinauszuwachsen. Egal ob lange Wanderungen, Baden und Wellenhüpfen in der Ostsee, der Aufstieg auf einen Leuchtturm, ein anstrengender Tag im Pferdestall oder Schiff fahren – jede Herausforderung wurde trotz teilweise sehr großer Ängste angenommen. Wir waren gemeinsam unterwegs, das zählte. Dass sich die Kinder mit der Rückkehr nach Chemnitz sofort drastisch verändern würden, haben wir selbstverständlich nicht erwartet. Aber die intensive gemeinsame Zeit hat tief im Inneren bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern Erinnerungen und damit Spuren hinterlassen. Diese können die ersten kleinen Schritte auf dem Weg zur „empfindsamen Saite des Herzens“ sein. Und jeder kleine Schritt zählt.